Schweigetag – Ein Selbstexperiment

Einen Tag lang nicht reden? Unser Schweigetag: Idee, Durchführung und was es bringt.

Einen Tag lang nicht reden? Unser Schweigetag: Idee, Durchführung und was es bringt.

Sei doch mal still,
red‘ doch mal nicht.
So kommst du bald wieder

in dein Gleichgewicht.

Ein Schweigetag.

Den ganzen Tag nicht sprechen. Nicht miteinander, nicht am Telefon.
Die Stimme bleibt still.

Klingt merkwürdig? Für uns ist es etwas besonderes.

Die Idee

Das erste Mal haben wir einen Schweigetag in einer Phase getestet in der wir bemerkt haben, dass wir zu viel diskutieren, uns gegenseitig herunter ziehen, ohne das es dafür wirklich einen Grund gibt. Manchmal ist es hilfreich, einfach nicht fragen zu können: „Was denkst du?“ „Wie siehst du das?“ „Was willst du denn?“

Man muss sich manchmal davon erholen, ständig von der Meinung anderer abhängig zu sein. Das bedeutet nicht, dass man diese Meinung nicht wertschätzt, oder das man sonst alles tut, was andere sagen. Es dient dazu, dein eigenen Kopf etwas klarer werden zu lassen. Es ist jedoch nicht so einfach das umzusetzen, wenn man einmal in einem eingefahrenen Muster angekommen ist.

Eine Veränderung musste her. Eine Regel, die uns von außen verbot, zu reden. Der Vorschlag kam von mir, weil ich mich bereits eine Weile mit so genannten Schweige-Retreats beschäftigt hatte. Das sind Freizeiten aus dem Alltag, die man sich nimmt, um einfach eine Weile still zu sein. Dazu gehören für gewöhnlich auch die Abstinenz von vielen Dingen unserer modernen Welt (Handy etc.).

Das war mir etwas zu viel für den ersten Versuch. Ich wollte eine einfache Variante. Erstmal testen, ohne zu viel auf einmal umgestalten zu müssen, denn meiner Erfahrung nach, sind kleine Veränderungen meist wirksamer, weil man sie wirklich durchhält.

Die Idee war schnell geboren: Ein Schweigetag. Ein einzelner Tag an dem wir nicht reden dürfen. Mit niemandem.

Die Regeln

So ein Tag darf meiner Ansicht nach nicht zu schwierig umzusetzen sein, denn er soll bewirken, dass man über eine kleine Grenze hinausgeht um sich danach besser zu fühlen und nicht provozieren, dass man überfordert ist. Dafür sind klare Regeln erforderlich:

1) Es wird nicht gesprochen. Mit niemandem. Das schließt das Telefon ein.

2) Falls aus Gewohnheitsgründen aus Versehen jemand etwas sagt, wird der Tag nicht abgebrochen. Die andere Person antwortet einfach nicht. Es ist nicht notwendig sich deswegen Vorwürfe zu machen. Das Experiment ist nicht ruiniert. Wenn man etwas Neues lernt, sind Fehler völlig normal.

3) Falls es etwas extrem Wichtiges gibt, darf es aufgeschrieben werden. Diese Regel sollte nicht in einem Schreibe-Tag enden, dann macht das Experiment keinen Sinn mehr.

4) Gib dir Zeit! Am Anfang ist der Drang das Experiment aufzugeben, weil es sinnlos scheint, meist groß. Gib dir etwas Zeit wirklich den ganzen Tag auf dich zukommen zu lassen.

5) Habe einen normalen Tag. Wenn du den ganzen Tag schläfst oder nur im Bett / auf dem Sofa liegst und fernsiehst, dann ist das Experiment nicht sinnvoll, weil du die ganze Zeit abgelenkt bist.

Eure Fragen zum Thema – meine Antworten:

Seit wann macht ihr regelmäßig den Schweigetag?

Seit etwas über einem Jahr.

Wie häufig macht ihr einen Schweigetag?

Das variiert, so etwa alle 2 – 3 Monate vielleicht.

Warum habt ihr euch dafür entschieden, so einen Schweigetag einzuführen?

Um die Art, wie wir mit einander kommunizieren einfach besser kennen zu lernen und einige Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Außerdem ist es ein sehr interessantes Selbstexperiment. Es ist eine geeignete Art, sich aus einer negativen Phase zu befreien.

Wie läuft das genau ab?

Bis auf die Regeln, die ich oben genannt habe, leben wir einen völlig normalen Tag. Einfach ohne zu sprechen. Ich empfehle einen ruhigen Wochenend-Tag auszuwählen.

Sprecht ihr tatsächlich kein einziges Wort?

Ja, kein einziges. Natürlich passieren und genauso machmal Ausnahmen, die einfach aus Gewohnheit her rühren. Dann regiert der andere einfach nicht (so wie ich das in den Regeln beschrieben habe).

Fällt euch der Schweigetag sehr schwer?

Nein, gar nicht mehr, am Anfang ist es uns viel schwerer gefallen, da es einfach eine völlig ungewohnte Situation ist.

Welche Auswirkung hat so ein Schweigetag individuell auf eure Beziehung?

Anni: Für mich ist es besonders angenehm, weil sich meine Kiefer und Nackenmuskulatur sehr entspannt. Meine Gedanken werden ruhiger und ich merke, dass ich, statt einfach etwas zu sagen, viel häufiger zu Flow hingehe um ihn in den Arm zu nehmen. Ich lächle viel häufiger und bin wesentlich selbstständiger – da ich ja nicht bitten kann, dass Flow mir z.B. etwas aus der Küche mitbringt. Ich empfinde am Ende von so einem Tag eine ganz große innere Ruhe. Die Gedanken sind sehr still geworden und Stress fällt einfach ab.

Flow: Ich kommuniziere auf jeden Fall viel bedachter. Da man nicht sprechen darf, muss man sich viel mehr Mühe geben, dass der andere einen durch Gesten verstehen kann. Man nimmt viel bewusster wahr, was für ein Wunder Kommunikation eigentlich ist. Man muss den anderen ansehen und ihm wirklich Aufmerksamkeit schenken. Man fokussiert sich viel mehr auf sich selbst und das was man tut. Beispielsweise sind körperliche Tätigkeiten, wie die Arbeit um Garten großartig für so einen Tag. Beschwerden und Jammern hören komplett auf, die negativen Gedanken lässt man einfach ziehen und lernt, dass der Tag trotzdem weitergeht.

Wie bereitet ihr euch vor?

Tatsächlich gar nicht, wir entscheiden das meist am Abend zuvor oder direkt nach dem Aufwachen spontan.

Gibt es ein Gespräch zuvor?

Eigentlich fragt derjenige, der Lust auf den Schweigetag hat einfach nur den anderen, ob er auch mitmachen möchte und dann einigen wir uns auf „heute“ oder „morgen“ und lassen es auf uns zukommen.

Macht ihr das ganze für euch als Paar oder für euch selbst?

Anfangs definitiv für uns als Paar, so wie ich es oben beschrieben habe. Inzwischen aber auch für uns selbst etwas geworden, das wir wirklich wertschätzen um uns zu beruhigen und der Stimme und den ganzen Gedanken eine kleine Pause zu gönnen.

Wenn dir die Möglichkeit weggenommen wird, zu reden,
dann fällt dir auf, dass du gar nicht so viel Wichtiges zu sagen hast, wie du denkst.

Foto: Kylie Turley

amanda-kohrAnni ist eine 26-jährige Autorin. Sie hat Germanistik und Politik studiert und jahrelang Kinder, Jugendliche und Erwachsene in ihrer persönlichen Weiterentwicklung betreut. Am allerliebsten tummelt sie sich mit ihren Texten auf: freiseindesign.com.